(In Norwegian and in German. In Norwegian presented in the publication of the Namibia Association of Norway, 2006).
Ich bin Ihrem Verein dankbar für die Möglichkeit, einige Worte anläßlich der Feier des 80. Geburtstages am 26. Mai d. J. des deutschen Pfarrers und Namibia-Botschafters Siegfried Groth zu schreiben.
Viele von den Lesern dieses Blattes werden wohl mit der Arbeit und dem Dienst Siegfried Grothes bekannt sein, wenn er als Gesandter der Vereinigten Kirche und Mission in Deutschland sehr vielen Exil-Namibiern zur Hilfe kam.
Sein Name ist vielleicht am stärksten mit der 1995-Ausgabe seines Buches „Namibische Passion“ verbunden, die sowohl 1996 mit dem Titel „Namibia- the Wall of Silence“ und später in Afrikaans und in Oshiwambo (2001) erschien.
In diesem Buch wird das Schicksal und Leben mehrere Namibier, die sich dem namibischen Befreiungskampf angeschlossen hatten, sehr detailliert geschildert. Was aber dieses Buch erwähnenswert und kontrovers macht, sind seine Berichte über Menschen, die aus verschiedenen Gründen mit ihrer eigenen Befreiungsorganisation nach einer Weile in Opposition gegen die SWAPO gerieten.
Es gibt mehrer Gründe, Siegfried Groth mit Norwegen in Verbindung zu bringen. Dazu gehören die Ähnlichkeiten zwischen dem deutschen und norwegischen protestantischem Kirchenleben und ihren Missionstätigkeiten. Hier aber wird die Rolle Siegfried Groths als Helfer und Fürsprecher für viele Exil-Namibier betont. Groth wurde 1926 in Gothendorf während der Weimarer Republik geboren und erlebte die Spannungsvolle Zeit der 30er Jahre. Aber sehr wichtig für seine Entwicklung war seine vom evangelischen Christentum geprägter familiärer Hintergrund und seine Weigerung, bei der Hitlerjugend mitzumachen.
Später wurde Siegfried Groth als Pastor für die Vereinigte Evangelische Kirche in Westdeutschland ausgebildet. 1961 verließ er sein Amt als Pfarrer in Schalksmühle und wurde Afrika-Referent in der Rheinischen Missionsgesellschaft (seit 1971 Vereinigte Evangelische Mission).
Als er 1961 in Namibia eintraf, trat Siegfried Groth in die beinahe 120 Jahre alte Missions-Tradition dieses Landes ein. Seine Tätigkeit ist auf mancherlei Weise typisch für die Generation junger Deutscher, die als Missionare nach dem II. Weltkrieg tätig wurden.
Mehr als ihre Vorgänger waren diese jungen Leute gegenüber einem preußischen Mißverständnis der Zwei-Reiche Lehre Luthers kritisch eingestellt. So hatten sie offenere Ohren für die soziale Befreiung des afrikanischen Volkes.
Groth selbst hat sich niemals dem historischen Hintergrund seines Wirken in Namibia entzogen. Ähnlich den vielen Christen Deutschlands fühlte er sich unglücklich wegen der Untaten seines Volkes und der damit zusammenhängenden hundertjährigen Unterdrückungsgeschichte.
Grothes Hauptarbeit in der VEM war, den deutschen Missionaren beizustehen und als Bindeglied zu den örtlichen lutherischen Kirchen zu funktionieren, die seit 1957 selbstständig waren. Ziemlich bald entfaltete sich im Umfeld Grothes ein Phänomen, das ihm zum Gewissensproblem wurde. So stellte er sich im Jahre 1971 mit der Mission auf der Seite der schwarzen Kirchen mit ihrem offenen Klagebrief an Staatsminister Vorster. Die Reaktion war hart. Die südafrikanische Regierung weigerte sich, ein erneutes Visum für Namibia auszustellen. Erst 1987 durfte er wieder in das Land reisen.
Trotzdem arbeitete er in all diesen dazwischen liegenden Jahren weiter in einem neuen und schwierigen Arbeitsgebiet. Er wurde Missionsbeauftragter für Menschenrechte im südlichen Afrika. Gleichzeitig baten ihn Namibischen Kirchenleitern, ihr verlängerter Arm für ihre Landsleute und Kirchenmitglieder im Exil zu sein, speziell in den Nachbarlanden Botswana, Zambia und Angola. Diese Aufgabe verlangte es von ihm, immer wieder viel zu reisen.
Übereinstimmend mit deutscher Gründlichkeit sammelte er reichhaltiges Material, daß sein Zusammentreffen mit Einzelmenschen und deren soziales Umfeld dokumentiert. Nur wenige können sich hier mit Groth vergleichen.
Er erinnert sich, vertraulicher Gesprächspartner für sehr viel Menschen gewesen zu sein, die unter enormen Belastungen, getrennt von ihren Familien und ihrer gewohnten Umgebung leben mußten. Für viele bedeutet zunächst SWAPO so etwas wie Freiheit, Zukunft, Hoffnung und Schutz. Nach einigen enttäuschenden Erfahrungen wandelte sich diese Hoffnung leider für viele ins Gegenteil.
Einige der schwierigsten Kapitel der Befreiungszeit Namibias erlebte Groth ganz aus der Nähe während der Nachwirkungen der sogenannten SWAPO-Krise im Jahre 1976 und der möglicherweise noch schwierigeren SPION-Krise von 1984-85.
Er schildert, wie sich Furcht und Verzweiflung unter jenen Menschen ausbreitete, die durch von der SWAPO verursachten Probleme an ihre Grenze kamen. Aber, es entwickelte sich unter diesen Menschen eine innige Gemeinschaft – eine Art Gottesfamilie im Exil – und Groth wurde ein „Seelsorger“ für Menschen, mit deren innersten Anliegen er sich identifizierte. Darüber hinaus versorgte er einige mit lebensnotwendigen Dingen und unterstützte manche finanziell.
Während der Befreiung traf Groth Menschen, die gerne in ihre Heimat zurück wollten, obwohl die 10 – 15 – 20 Jahre im Exil lebten. Er war engagiert, solche Leute auf einen neuen Anfang vorzubereiten.
Während seines Einsatzes unter den Exil-Namibiern erwarb er gründliche Kenntnisse über die verschiedenen politischen Gruppierungen neben der SWAPO, wie die SWANU, NNF, und UDF. Aber Grothes wichtigstes Anliegen war zu verhindern, daß das menschliche Netzwerk zwischen Kirchen, Hilfsorganisationen und Einzelmenschen politisch mißbraucht wurde, weil Menschen nicht in diesem Kontext nicht als Einzelwesen geschätzt, sondern als Angehörige einer politischen Richtung materialisiert (d.h. entmenschlicht) werden.
Groth war mit Menschen eng vertraut, die unter Qualen gelitten haben und sich in Namibia keine Zukunft mehr vorstellen konnten. Er versuchte diesem Anliegen durch Verhandlungen gerecht zu werden, fand aber so gut wie kein Gehör. Versöhnung zwischen Einzelmenschen war nach Grothes Auffassung eine Bedingung für einen neuen Anfang.
Seine Bemühungen führten Ende 1989 dazu, mit Reportagen, Interviewen und Dokumentationen in die Öffentlichkeit zu treten. Er betonte, daß es für ihn nicht möglich war, jetzt untätig zu bleiben, ähnlich wie es einige Jahrzehnte früher unmöglich für ihn war, über die Behandlung von Namibiern durch Südafrikaner den Mund zu halten.
Die Zeit als „Gefangener seiner Solidarität“ war vorbei – so wie die Überschrift dieses Artikels zeigen will. Der Preis den er bezahlen mußte, waren Mißverständnisse, Mißbilligung und Verlust von Freunden in seiner Heimat. Aber er war willig, diese Nachteile hinzunehmen, da sein Einsatz der Menschenwürde galt, die er als ein höchstes von Gott gegebenes Gut einschätzt.
Siegfried Groth wurde im Juni 1990 pensioniert. Er war froh, daß seine Frau Hildegard die ganzen Jahre an seiner Seite stand. In ihrem Wuppertaler Heim wurden sie einerseits durch Besuche vieler Namibier bereichert und konnten andererseits nicht wenigen beistehen.
Nach einigen Jahren veröffentlichte er 1995 seine eigene Schilderung jener kritischen Jahre in seinem Werk „Namibische Passion“. Es verursachte starke Reaktionen – nicht zuletzt in Namibia.
Für alle von diesen Ereignissen Betroffenen erschien dieses bis dahin unabgeschlossenes Kapitel des jungen Staates als eine wichtige Dokumentation nicht zu vergessener Geschehnisse.
Und nun – in Verbindung mit Grothes 80jährigem Geburtstag – erschien ein Buch von Klaus Gockel, einem langjährigen Mitarbeiter. Es stützt sich nicht zuletzt auf das von Groth gesammelte Material, und könnte unsere Einsichten in unbekannte Ereignisse der Geschichte Namibias erweitern und darüber hinaus einen Einblick in deutsche Mentalität und Denkweise vermitteln – einer Kultur mit der wir historisch verbunden sind.
2006/Bergen/Arvid Daastøl Høy